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Text neu  10.3.2016
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TOGOHILFE

 

 

Bernardin Schellenberger

Bernhard von Clairvaux: Mystik der Liebe

aus:

ZEUGEN CHRISTLICHER GOTTESERFAHRUNG

hg. v. Josef Sudbrack, M. Grünewald Mainz 1981

 

I. Das Thema seines Lebens

 Jemanden erkennen heißt mit ihm eins werden

 

„Wir haben einen Menschen gesehen! Aber einen Menschen, der etwas an

sich hatte, das über das bloße Menschsein hinausging. Das, was er tat,

oder seine Zurechtweisungen konnten manchen zum Murren bringen,

denn sie brannten, wenn er nicht da war. Aber der bezaubernde Adel und

die geheimnisvolle Kraft der Liebe, die aus seinem Gesicht strahlten,

verbreiteten einen derartigen Frieden und eine solche Gottesfurcht, dass

man sich Vorwürfe machte, ihm böse gewesen zu sein, sobald man ihm

von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand[1].

So hat ein Zeitgenosse, der Zisterzienserabt Isaak von Stella (+ nach 1167),

über Bernhard von Clairvaux geschrieben. Wir wollen hier nicht in erster

Linie sein geistliches Leben, seine Lehre, seine Mystik beschreiben, sondern

versuchen, sie in einer persönlichen Begegnung mit ihm nachzuempfinden.

Das entspricht am ehesten seiner Eigenart.

Denn jemanden verstehen und erkennen bedeutet, ihm ähnlich werden, sich

ihm angleichen und - in der Vollendung - mit ihm eins werden: das haben

die Kirchenväter seit Origenes betont, und Bernhard ist darin ihr getreues

Echo. „Der Unterricht bringt Gelehrte hervor, die liebende Zuwendung

Weise“[2].

Wirkliches Erfassen ist ein sittliches Tun, ein Sich-Hingeben und Gepacktwer-

den des ganzen Menschen. Darum ist für die Väter Bemühen um Erkenntnis

Askese, geistliche Arbeit und Gebet in einem. Ihr Suchen und Finden der

Wahrheit ist ein existentielles Verhalten, eine Stellungnahme, ein Sich-Verän-

dern durch Angleichung an die Wahrheit. „Das Wesentliche liegt im

sehnsüchtigen Streben; man erreicht es nicht mit der Vernunft, sondern indem

man ihm gleichförmig wird“[3]. Und da für die Väter die Wahrheit kein

abstrakter Begriff ist, sondern im letzten Gott selbst, eine Person, das WORT,

das zu uns gesprochen wurde und in Jesus Christus leibhaftig geworden ist,

kommt für sie das Suchen nach Wahrheit und Erkenntnis einem Gespräch

gleich, einer Suche nach dem Du und nach der Erfahrung der Nähe und

Zuwendung dieses Du.

Wo sich die ganze Existenz eines Menschen auf dieses wesentliche Gespräch

ausrichtet, da werden das Schweigen und das Wort wichtig. Bernhard von

Clairvaux hat den Mönchsorden der Zisterzienser mitgestaltet, in dem das

Schweigen eine große Rolle gespielt hat, und er war ein Meister des Wortes.

Deshalb wird er der „Doctor mellifluus“, der“honigfließende Lehrer“ genannt,

nicht wegen seines geschliffenen Lateins, in das er seine Erfahrungen so zu

fassen vermochte, dass sie den aufgeschlossenen Leser heute noch erregen,

sondern weil er es verstanden hat, aus dem Buchstaben der Heiligen Schrift,

der den meisten trocken und hart wie ein Fels vorkommt, den „Honig“ ihres

geistlichen Sinnes fließen zu lassen[4]. Tatsächlich war Bernhards

Lebenselement die Bibel. Alle ihre Seiten waren ihm ein lebendiges Wort.

„Durch das Wort werden wir neu zur Weisheit befähigt. Das Wort ist eine

Kraft, das Wort ist Weisheit. Darum soll die Seele bei der Kraft Kraft

holen, bei der Weisheit Weisheit schöpfen; und beide Güter soll sie allein

dem Wort zuschreiben. Denn wollte sie eines von beiden oder beides von

anderswoher beziehen, so könnte sie genausogut annehmen, der Bach stamme nicht aus der Quelle, der Wein nicht vom Weinstock und das Licht nicht vom Licht“[5].

Bernhard war in der Heiligen Schrift derart zu Hause, dass er buchstäblich

„Bibel“ gesprochen hat, wie ein anderer Französisch oder Deutsch spricht[6]: die

Wendungen, Formulierungen und Bilder der lateinischen Vulgata wurden sein

„Dialekt“ und sind gar nicht klar als Zitate aus seinen eigenen Worten

herauszulösen.

Die Frucht solchen Suchens ist nicht ein System klarer Begriffe, sondern

Weisheit im etymologischen Sinn des lateinischen Wortes „sapientia“, das von

„sapere“ – „verkosten, schmecken“ abgeleitet ist[7]. Und die grundlegende

Tätigkeit des Menschen bei dieser Suche ist nicht die „ratiocinatio“, das

spekulativ-abstrakte logische Denken, sondern die „affectio“, ein schwierig ins

Deutsche zu übersetzendes Wort. „Affectio“ und deren Äußerungen, die

„affectūs“, bezeichnen das liebende Verlangen nach Erfüllung und die

Bewegung vorbehaltloser Ganzhingabe seiner selbst, also einen Grundstrom

unterhalb aller Stimmungen und Gefühle. Diese Dynamik macht das Wesen

Gottes aus, so dass Bernhard in Abwandlung von 1 Joh 4,8 sagen kann: „Gott

ist die affectio“[8]. Und: „Ohne die affectiones Liebe und Freude, Furcht und

Trauer existiert die menschliche Seele nicht wirklich“[9].

Der wesentliche Fortschritt des Menschen, sagt Bernhard,

„geschieht nicht dadurch, dass er sich zu Fuß von einem Ort zum andern bewegt, sondern so, wie es einem geistigen Wesen eigen ist, sich zu bewegen: indem er sein Liebesverlangen - seine affectūs – aktiviert“[10].

Die „affectio“ ist eine von Gott im Menschen grundgelegte Befindlichkeit[11],

deren volles Offenbar- und Wirklichwerden die Vereinigung mit Gott bedeutet. Bernhard ruft aus:

„O heilige und lautere Liebe (amor)! O köstliches und süßes Liebesverlangen

(affectio)! O reine und geläuterte Strebung des Willens (intentio voluntatis)!

Sie ist gewiss um so lauterer und reiner, je weniger in sie noch etwas Eigenes (des Menschen) gemischt ist; sie ist um so süßer und köstlicher, je eindeutiger das, was da erfahren wird, ganz göttlich ist. Derart gepackt zu werden, heißt vergöttlicht werden.“[12]

 

 

Ausgangspunkt und Ziel: die Liebe

 

Das Außergewöhnliche und Faszinierende an Bernhard von Clairvaux ist, dass

wir diesen Menschen schon in jungen Jahren in diesem Zustand, in diesem

geistlichen Gepacktsein und mit dieser Leidenschaft der Liebe vorfinden.

Daher lässt sich aus seinen Lebensdaten und seinen Schriften keine eigentliche

geistliche Entwicklung nachzeichnen. Der Einundzwanzigjährige steckt mit

seiner Gottbegeisterung dreißig Verwandte und Freunde an, lebt mit ihnen ein

halbes Jahr in einer Art Kommune, und dann treten sie alle in Cîteaux ein. Mit

fünfundzwanzig Jahren wird er zum Abt ernannt und gründet Clairvaux, und

bereits seine Frühschrift „Uber die Stufen der Demut und des Stolzes“[13], die

aus seinen Auslegungen der Regel Benedikts für die Mönche entstanden ist,

bietet eine Darstellung der Mystik, die genauso tief ist wie das, was er kurz vor

seinem Tod in seinen letzten Predigten über das Hohelied ausführt.

Seine Lehre ist Reflexion über das, was ihm von vornherein im Überfluss

gegeben war und worin er sich so selbstverständlich bewegte, dass er anfangs

gar nicht begriff, wie andere weniger oder anders empfinden konnten. Er

reflektierte gern und gründlich seine Erfahrungen[14], aber am stärksten ist er

dort, wo er aus der Fülle des Erfahrenen weitergibt und wenn er, wie in einer

Allerheiligenpredigt, sagen kann:

„Um dieses Gericht für euch vorzubereiten, hat heute die ganze Nacht mein

Herz in meinem Innern gekocht“[15].

 

„Mir geht es nicht so sehr darum, Worte zu erklären, als vielmehr, Herzen

anzurühren“[16],

 

„und derlei erfasst der Verstand nur in dem Maß, in dem die Erfahrung daran

gerührt hat“[17].

 

„Wer nicht liebt, der hört und liest das Lied von der Liebe umsonst... Wie

einer, der kein Griechisch und kein Latein gelernt hat, einen griechisch oder

lateinisch Sprechenden nicht versteht, so bleibt auch die Sprache der Liebe

für den, der nicht liebt, eine unverständliche Fremdsprache“[18].

 

„Dieses Lied lehrt nur der Heilige Geist, und einzig die Erfahrung bringt es

uns bei. Wer es erfahren hat, der wird es auf der Stelle wiedererkennen, und

wer es noch nicht erfahren hat, der soll sich glühend danach sehnen; nicht

so sehr danach, es zu erkennen, als vielmehr, es zu erfahren. Dieses Lied

klingt nicht im Mund, sondern es jubelt im Herzen. Es tönt nicht von den

Lippen, sondern es macht uns vor Freude im Innern erregt. Nicht Stimmen

klingen da in eins, sondern die Strebungen von Herzen“[19].

 

Bernhards Grunderfahrung ist diejenige des Geliebtwerdens. Menschlich

erfahren in einer glücklichen Kindheit, die von der Liebe seiner Mutter Aleth

überstrahlt war, wurde dies der Grundton seines geistlichen Lebens. „Gott hat

uns zuerst geliebt“ (1 Joh 4,19): diese Aussage wiederholt er oft und gern.

Stefan Gilson[20] hat dargestellt, wie der Abschnitt des 1. Johannesbriefs 4,7-

21, aus dem dieser Satz stammt, zu einem Grundpfeiler der geistlichen Lehre

Bernhards geworden ist[21]: „Gott ist die Liebe, Deus caritas est“ (1 Joh 4,8).

Und weil Gott die Liebe ist, kann ihn nur erkennen, wer selbst liebt: „Jeder,

der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott“ (1 Joh 4,7), und zwar mit der

An Liebe, die von Gott als der Quelle der Liebe geschenkt wird.

Das Geschenk der Liebe setzt Bernhard nach 1 Joh 4,13 gleich mit dem Heiligen

Geist. Dieser, so führt er aus, vereint den Menschen mit Gott und lässt sein

geistliches Leben zu einer Teilnahme am göttlichen Leben werden. Die

Erfahrung dieser uns umgebenden und in uns wohnenden Liebe ist ein

Vorgeschmack und ein Unterpfand der uns noch fehlenden Schau Gottes (1

Joh 4,12-16).

Wie aber können wir wissen, ob die Liebe Gottes in uns ist?

Das ist an zwei Zeichen ablesbar: an der praktischen Liebe zu unseren Brüdern (1 Joh 4,20) und am Grundvertrauen, das unser Leben trägt (1 Joh 4,17-18). Die „Furcht vor dem Gericht Gottes“, die in den Menschen der Antike und des Mittelalters lebendig war, hat für uns Heutige eher den gesichtslosen Ausdruck der

Lebensangst, der Flucht vor der Sinnlosigkeit und der Erfahrung des

Ungeliebt-, Ungeborgen- und Einsamseins angenommen. So ließe sich für uns

heute übersetzen: Wo diese Erfahrungen überwunden sind, da ist die Liebe

Gottes ganz eingezogen.

Der Gedanke, dass „die vollkommene Liebe die Furcht vertreibt“ (1 Joh 4,18),

ist für Bernhard eine Brücke zum zweiten Pfeiler seiner geistlichen Lehre: zur

Regel des heiligen Benedikt. In ihrem siebten Kapitel zeichnet Benedikt den

Stufenweg der Demut und beschreibt seinen Gipfelpunkt ebenfalls mit den

Worten von 1 Joh 4,18: Der Mönch gelangt „zu jener Gottesliebe, die

vollkommen ist und die Furcht vertreibt“[22].

„Vergebens würden wir den heiligen Benedikt um Aufschluss bitten, wieso

denn die Demut durch den Verzicht auf das eigene Wollen die Liebe bringe.

Bernhards eigenes Werk ist nun gerade die Vertiefung dieses Gedankens

und gleichsam die Wiederherstellung eines inneren Zusammenhangs, wenn-

gleich sich in der Regel immerhin schon die Richtung und Formulierung der

Lösung darbietet. Bernhards eigene Leistung ist der Beweis.“[23]

 
Ein Leben für die Liebe

 

Bevor wir in knappen Strichen den geistlichen Weg nachzeichnen, wie ihn

Bernhard, ausgehend von diesen beiden Ansätzen, beschreibt, bleibt noch

einiges zur Charakteristik seines geistlichen Lebens anzumerken.

Aus seiner Grunderfahrung des Geliebtwerdens leitet er eine sehr optimisti-

sche Anthropologie ab. Der Mensch, wie Bernhard ihn sieht, ist für die Liebe

geschaffen. Er hat das zwar weithin vergessen und hat sich in alle möglichen

falschen Richtungen verlaufen, aber wenn er wirklich in sich geht, findet er

unweigerlich die verschüttete Quelle und den Ansatzpunkt der Liebe wieder,

von dem aus ein Aufsteigen und Wachsen möglich ist.

Ein zweiter Grundzug ist die Konsequenz, die sich aus dem eindeutig biblisch-

neutestamentlichen Ansatz seiner Liebeslehre ergibt: „Liebe“ ist nach dem 1.

Johannesbrief eine sehr konkret zu verstehende Bruderliebe. Wenn in

Bernhards Leben eine Entwicklung abzulesen ist, dann in diesem Punkt: der

junge Mann, der leidenschaftlich die Einsamkeit der Kontemplation gesucht

hatte[24], wurde im Lauf der Jahre zur bekanntesten, aktivsten und einflussreich-

sten Persönlichkeit seines Jahrhunderts. Er bereiste ganz Europa und prägte

die Kirchen-und Weltpolitik maßgeblich mit. Dieser unermüdliche Einsatz aus

der Sorge um die Verwirklichung der Liebe des Evangeliums in Welt, Kirche

und Kloster ließ die Quellen seiner Inspiration nicht versiegen, sondern hat sie

im Gegenteil gespeist. Auch wenn er stöhnen konnte über seine ständige

Beanspruchung, so war doch kein Bruch zwischen seiner kontemplativen und

seiner aktiven Existenz. Von irgendeiner wochen- oder monatelangen Reise

zurückgekehrt, konnte er sofort wieder seinen geistlichen Kommentar zum

Hohenlied fortführen, darin zeit- und kirchengeschichtliche Ereignisse

einflechten und ihn durch Erfahrungen aus seiner Tätigkeit bereichern. Er sah

und lebte die grundlegende Einheit und Verflochtenheit aller Probleme und

Krisen: Was der einzelne an Sünde, Zerrissenheit und Elend erfährt, all die

Leiden der Seele, die von Gott entfremdet lebt - er fand das widergespiegelt in

den Leiden und der Suche der Braut des Hohenliedes nach dem verschwunde-

nen Bräutigam -, das ereignet sich im großen Maßstab in der Sünde, der

Zerrissenheit und dem Elend der Kirche; und die Kirche wiederum ist die

Repräsentantin und der Spiegel der gesamten sündigen, zerrissenen und in der

Gottferne lebenden Menschheit[25]. So focht er in der Einsamkeit der Zelle und

seines Klosters, in den kirchlichen Auseinandersetzungen und in seinen

politischen Aktivitäten stets auf dem gleichen Feld und mit den selben Waffen:

mit seiner Liebe und Gottesbegeisterung gegen die Mächte des Zwiespalts, des

Leidens und des Todes, die, weil sie den einzelnen, die Kirche und die Welt

peinigten, im letzten Gott selbst, den Leib Christi neu in Schmerz und Agonie

stürzten. Das verbannt aus seiner Mystik alle Selbstgenügsamkeit: Der Sinn für

Gott und für Christi Leiden in allen Menschen drängte ihn unablässig zur

aktiven Liebe und zur Hingabe an die anderen.

 

II. Der Weg zu Gott

 

 Am Anfang: der Einzelne

 

„Fange damit an, dass du über dich selbst nachdenkst, damit du dich nicht

selbstvergessen nach anderem ausstreckst... Denn wärest du auch weise, so

würde dir doch Wesentliches zur Weisheit fehlen, solange du dich nicht

selbst in der Hand hast.[26]

Die Genialität der Regel Benedikts, in deren Disziplin Bernhard geformt

worden ist, besteht unter anderem darin, dass sie eine Synthese zweier

Grundströmungen des frühen christlichen Mönchtums darstellt: der von

Basilius und Augustinus herkommenden Tradition, deren primäres Anliegen

der Aufbau christlicher Gemeinschaften war, und der von den Wüstenvätern

und Kassian überlieferten Tradition des Eremitentums, dessen Hauptaugen-

merk auf dem geistlichen Fortschritt des einzelnen lag[27]. Das benediktinische

Mönchtum hat stets dazu geneigt, die Regel stärker im Sinn der ersteren zu

interpretieren und die Askese des Mönches primär als Sich-in-Dienst-nehmen-

Lassen für den Aufbau des „Hauses Gottes“[28], für das Gotteslob[29] und für die

gemeinsamen Aufgaben und Werke der Gemeinschaft zu verstehen und zu

fordern. Die Zisterzienser, aus der eremitischen Bewegung des 11. Jahrhun-

derts kommend, betonten dagegen entschieden den Vorrang des Einzelnen,

obgleich sie ihn zugleich in ein sehr intensives Gemeinschaftsleben einfügten.

Hand in Hand damit ging ihre Vorliebe für die damals „neue“ Methode der

Schriftauslegung, der der Benediktiner Rupert von Deutz (+ 1129) die Bahn

gebrochen hatte. 1113 hatte er es zur Empörung der Fachwelt gewagt, einen

Kommentar zum Johannesevangelium vorzulegen, in dem er sich nicht mehr

damit begnügte, die Vätertradition „objektiv“ zu repetieren, sondern originell

und geistreich bei eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen anzusetzen[30].

Bernhard hilft diesem Vorrang des lebendigen einzelnen und seiner persönlichen

Begegnung mit Gott vor der Tradition und dem Kollektiv endgültig zum

Durchbruch und trägt entscheidend dazu bei, dass im Zisterzienserorden eine

neue, geistlich und menschlich fruchtbare Synthese von Alleinsein und Leben

in Gemeinschaft geschaffen wird.[31]

So wird der Anfänger in Bernhards geistlicher Schule zunächst einmal - infolge

des strikten Stillschweigens, das in der Gemeinschaft herrscht - mit sich selbst

konfrontiert.

Dieser Einstieg ins geistliche Leben steht auch dem noch nicht Glaubenden

offen: „Denn selbst wenn einer Christus nicht kennt, kann er doch sich selbst

erkennen“.[32] Bernhard ist der Zuversicht, wer sich konsequent diesem

Anspruch der Selbsterkenntnis und Selbstfindung stelle, der finde auch zu

Gott.

 

Der erste Schritt: Selbsterkenntnis

 

Mit der Aufforderung, zu sich selbst zu kommen, ist der grundlegende

asketische Anspruch verbunden, aus der Zerstreuung an die vielfältigsten

Dinge bei sich selbst einzukehren und seiner „curiositas“, seiner Gier nach

immer Neuem, die Zügel anzulegen[33]. Diese Beschränkung

„führt zu einem nicht geringen Schmerz, wenn man entdeckt, dass durch die

eigenen Fenster der Tod eingestiegen ist... (Denn solange der Mensch ganz

nach außen gekehrt ist), spürt er selbst Schlimmes wenig oder kaum, und

weder Stolz noch Neid noch die Erinnerung an beschämende und

niederträchtige Taten bereiten ihm Gewissensbisse“.[34]

Doch geht es bei der Bewusstwerdung seiner selbst nicht nur um das Erinnern

an Schwächen, Fragwürdigkeiten und Sünden, sondern auch um das Gewinnen

eines gesunden Selbstwertgefühls. Indiz der Größe des Menschen ist nach

Bernhard die Wahrnehmung, dass er einen unzerstörbaren freien Willen hat und

grundsätzlich immer das Gute wollen kann. Bernhard nennt dies die Freiheit

von der Nötigung[35], die den Menschen vom Tier unterscheide und zur

unverlierbaren Substanz seines Menschseins gehöre. Er deutet sie theologisch

und sagt: Mit dieser Eigenschaft ist und bleibt grundsätzlich jeder Mensch Bild

Gottes, „imago Dei“.

Zugleich jedoch macht der Mensch die Erfahrung, dass er trotz dieser Freiheit

oft nicht fähig ist, das Gute zu wählen oder das Schlechte zu meiden, selbst

wenn seine Vernunft ihm klar die Richtung weist; und wenn er zu wählen

imstande ist, erlebt er, dass ihm die Kraft fehlt, es auszuführen. Die Fähigkeit

zur freien Wahl[36] und die Kraft, das Gewählte auszuführen[37] deutet Bernhard

wiederum theologisch[38]: sie machten die Gottebenbildlichkeit, „similitudo

Dei“ des Menschen aus, und diese Weisheit und Macht habe er durch die

(Erb-)Sünde verloren. Seitdem ist das Bild Gottes im Menschen mit der

Unebenbildlichkeit Gottes umkleidet und verdunkelt.

Daraus ergibt sich der Weg zur Vereinigung mit Gott: es ist der Weg einer

Widerherstellung des Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit, indem er in der

Liebe erstarkt und sein ganzes Wollen und Tun von der Liebe geleitet und zu

ihrem Werkzeug werden lässt. Dadurch löst er sich aus den Hüllen seiner Unähnlichkeit.

 

„Die Seele soll danach begehren, das zu werden, wozu sie erschaffen worden

ist,“[39]

 

(nämlich zu diesem) „staunenswerten Wunder der Gottebenbildlichkeit, die

einhergeht mit dem Schauen Gottes, oder vielmehr: die das Schauen Gottes

selbst ist. Ich sage aber: in der Liebe; denn die Liebe ist jenes Schauen, jene

Ebenbildlichkeit“[40].

 

„Solche Gleichförmigkeit (im Lieben mit Gott) vermählt die Seele mit dem

WORT. Von Natur aus ist sie ja bereits dem WORT ebenbildlich, und sie

wird ihm auch ebenbildlich dem Willen nach, indem sie in derselben Weise

liebt, wie sie geliebt wird. Wenn sie also vollkommen liebt, kann man sagen:

sie ist vermählt“.[41]

 

Doch kehren wir zurück zu unserem Ausgangspunkt: In der Besinnung und

Konfrontation mit sich selbst findet sich der Mensch als zwiespältiges,

gebrochenes, inkonsequentes Wesen vor. In Bernhards Ausdrücken: er ist Bild

Gottes, und von da her „capax Dei“, nur mit Unendlichem, Göttlichem zu

sättigen[42]; und zugleich ist er verbannt in die Wüste der Unebenbildlichkeit,

der unzulänglichen Liebe[43]. In dieser Entfremdung von der Liebe und von

Gott ist er auch sich selbst entfremdet[44]; fern vom Tisch des Vaters ernährt er

sich von den Schoten der Schweine. Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn

liefert ein weiteres Bild: Im Adel des Aufrechtstehenden, der zum Himmel

blickt, erschaffen, hat der Mensch sich auf den Boden gekrümmt und zur Erde

geneigt und hat nur noch Sinn für Irdisches, Innerweltliches[45]. Diese

„curvatio“, diese „Krümmung“ seines Wesens äußert sich im Sich-

Zurückbeugen auf sich selbst, in einer narzisstischen Re-flexion, in der

Nabelschau und Verkapselung in sich selbst, in der „voluntas propria“, im

„Eigen-Willen“. Der gekrümmte Mensch stöhnt „unter der unerträglichen Last

seines Eigen-Willens, statt das süße Joch und die leichte Bürde der Liebe zu

tragen“[46], jener Liebe, die das Lebensgesetz der Dreifaltigkeit ist und „sie zur

Einheit fügt und im Band des Friedens zusammenhält“[47]. „Die Liebe sucht

nicht, was ihr allein nützlich ist, sondern was vielen nützt.“[48]

Und doch, sagt Bernhard, ist diese ichbezogene Liebe, dieser „amor carnalis“,

nicht von Grund auf schlecht. Die Begierde, die das Ihre sucht, ist eine ihrer

selbst unbewusste und verirrte Gottesliebe. Wir begegnen hier seinem

Optimismus und seiner feinen Psychologie und Pädagogik: Er bannt nicht in

unerleuchtetem Eifer alle Eigen-Liebe, sondern erklärt sie zur ersten, wenn

auch unvollkommenen Stufe jener Liebe, die der Mensch zu lernen habe. Du

folgst einem gesunden Instinkt, wenn du dich selbst liebst und wenn du um

dein Ich bangst[49], und es geht nicht darum, dass du diesen Instinkt abwürgst;

du sollst ihn im Gegenteil befreien aus seiner Engführung und Versklavung[50],

infolge derer er ständig kurzsichtig mit den falschen Mitteln falsche

Befriedigung sucht, und du sollst ihn ausweiten und „ordnen“[51] zu einer

unendlichen Liebe und zur Erfahrung eines unendlichen Geliebtwerdens[52]. Die

Selbsterkenntnis führt den Menschen also nach Bernhard zur vollen Konfrontation mit seiner wesentlichen inneren Spannung: angelegt auf Unermessliches (als imago Dei), findet er sich gefesselt und gelähmt in der Enge seiner Schwächen und Begrenzungen (infolge des Verlusts der similitudo Dei). Das Ergebnis ist einerseits ein hohes Selbstbewusstsein (der Mensch ist grundsätzlich auf das Werden-wie-Gott angelegt) und andererseits eine tiefe Beschämung: der Mensch liegt faktisch am Boden (humus) und hat allen Grund zur Demut (humilitas)[53].

 

„Die Demut ist die Kraft, mit der der Mensch durch eine grundlegende

Erkenntnis seiner selbst in seinen eigenen Augen gering wird“[54]:

 

das, was er aus sich selbst gemacht hat, fällt wie ein Kartenhaus zusammen[55];

der Stolz, der sich dank des Mangels an Selbsterkenntnis aufgebläht hatte[56],

verpufft; aber ebenso wird die latente Verzweiflung, die aus dem Mangel an

Gotteserkenntnis stammte[57], entschärft.

 

Von der Demut zum Mit-leid

 

In seiner Schrift „Über die Bekehrung“[58] beschreibt Bernhard die Erfahrungen

des Menschen, der versucht, „zu seinem Herzen zurückzukehren“[59].

 

„Schließe die Fenster, verriegle die Pforten, verstopfe sorgfältig alle Öffnungen. Und wenn schließlich nichts Neues mehr von außen in dich hineinkommt, kannst du anfangen, den alten Schmutz auszufegen.

Zunächst denkt der Mensch, dieser Auftrag sei leicht auszuführen, weil er keine

Ahnung vom geistlichen sich Mühen hat.“

Er legt also seinen Sinnen zuversichtlich Zügel an.

„Doch mit einem Mal schreien sie alle zusammen auf: Woher stammt dieses

neue Gesetz (unde haec nova religio) ?!. . . Der Arme erbleicht bei diesem

Protestschrei und verstummt in Verwirrung. Sein Geist wird vom Schrecken

gepackt.“[60]

Bernhard beschreibt hierauf in einer Art dramatischen Spiels das Aufbegehren

aller Sinne gegen den Versuch, still zu werden.

„Da wird ihm klar, wie schwierig dieses Geschäft ist, und wie vorschnell die

Annahme war, das gehe so leicht[61]. Das ist unser aller tagtägliche

Erfahrung: dass der, welcher sich vornimmt, sich zu bekehren, um so

schärfer von der Begierlichkeit des Fleisches angefochten wird; und dass das

Volk, das Anstalten macht, aus Ägypten auszuziehen und der Knute des

Pharao zu entkommen, nur um so härter zur Fron unter Lehm und Ziegeln

gezwungen wird.“[62]

 

Der erste Versuch, zu sich selbst zu kommen, endet enttäuschend und mit

einer ganz eigenen Armuts- und Ohnmachtserfahrung: „Wer ist ärmer im

Geist als der, welcher in seinem ganzen Geist keinen Ruheplatz findet, keinen

Ort, wohin er sein Haupt legen könnte?“[63] Doch den Armen im Geist,

erinnert Bernhard, sei die Seligkeit versprochen. Er fragt dagegen: „Macht

denn die Armut den Menschen selig? ... Nein, nicht die Armut, sondern die

Barmherzigkeit. Aber der Wohnort der Barmherzigkeit ist die (eigene) Armut...

Wie nützlich ist folglich ein Kranksein, das nach der Hand eines Arztes rufen

lässt!“[64]

 

„Die Anfechtung ist überstark und grenzt an die Verzweiflung[65]: aber dieser

Erfahrung muss sich der Mensch aussetzen. Er soll erwägen, dass es weder in

seinem Innern, noch in der Tiefe, noch im Umkreis Trost für ihn gibt, bis

ihm schließlich aufgeht, er müsse die Hoffnung oben und von oben her

suchen[66], von jenem her, der in die Anfechtung und Armut des Menschseins herabgestiegen ist und gesagt hat: ‚Nehmt mein Joch auf euch, und ihr

werdet Ruhe finden für eure Seelen’[67]. Vom Mitleid (des Herrn) gesalbt und

erfüllt, kann der Geist in einem guten Gewissen im Glück zur Ruhe

kommen“.[68]

 

Dieser buchstäbliche Auf-bruch aus der Erfahrung der eigenen Nichtigkeit

und Ohnmacht zur Öffnung für Gott dürfte der Punkt sein, an dem sich die

Geister scheiden. Zumal heute scheint dieser Aufbruch vielen Menschen nicht

zu gelingen, oder sie lehnen ihn aus prinzipiellen Gründen ab.

Immerhin, auch solche Menschen kann der Blick auf ihre eigene Wahrheit zur

Erkenntnis führen: die anderen sind genauso arme Teufel wie ich selbst[69].

Sage dir „nicht unwillig und voll Ärger, sondern voll Mit-leid und Sympathie:

‚Jeder Mensch ist ein Lügner’ (Ps 116,10.11, Vulgata). Jeder Mensch ist

schwach, jeder Mensch ist armselig und hilflos, und er kann weder sich noch

einen anderen retten... Und halte dir das nicht nur als Wissen vor Augen,

sondern auch als Schmerz“.[70]

Diese Erwägung kann die Haltung pharisäischer Verhärtung im Gerechtig-

keitsdenken, in dem jeder zur Vertuschung der eigenen Schwächen des andern

Ankläger und Feind ist, zur Barmherzigkeit wandeln[71], zur Einsicht, dass man

sich selbst nur helfen kann, indem man anderen hilft.

 

„Um solche Barmherzigkeit zu erlangen, befolgen solche Menschen den Rat

der Weisheit: ‚Selig die Barmherzigen, denn sie werden selbst Barmherzig-

keit erlangen’ (Mt 5,7)... Der Blick auf die eigenen Nöte öffnet den Blick

für die Nöte der anderen; und durch das, was man selbst erleidet, wird man

fähig, mit anderen Leidenden mitzuleiden.“[72]

(So soll der Mensch) „aus jener Schule der Demut vom Heiligen Geist durch

die Zuneigung (per affectionem) in die Weinkeller der Liebe geführt

werden, unter denen zweifellos die Herzen der Mitmenschen zu verstehen

sind.“[73]

 

Die „voluntas propria“, der Eigen-Wille, soll sich allmählich zur „voluntas

communis“, zum Gemein-Willen, zur Solidarität entwickeln.

 

Mit-leidende „weiten ihre Zuneigung (affectūs) auf ihre Mitmenschen aus. Durch die Liebe werden sie mit ihnen derart gleichförmig, dass sie ihre Stärken und ihre

Schwächen wie ihre eigenen Stärken und Schwächen empfinden.“[74]

 

In voller Deutlichkeit zeigt sich hier, wie Bernhards Aufruf zur Selbsterkenntnis alles

andere als die Einladung zu einer selbstgenügsamen Innerlichkeit darstellt.

Diese Entwicklung ist im übrigen nicht die Frucht einer nur gedanklichen und

meditativen Übung, sondern reift im Rahmen einer entsprechenden Lebens-

praxis: Die „fleischliche“ Liebe[75] wird zur sozialen Liebe, indem sie anfängt, sich

auf Gemeinsames auszurichten.[76]

Für Bernhard bedeutet das konkret: die Wahl einer sozialen, engagierten,

gemeinschaftlichen christlichen Lebensform, die sich am Beispiel der Urkirche

inspiriert[77]. In seinen Augen war - sicher ein gut Stück weit subjektiv und

zeitbedingt - deren optimale Verwirklichung das Leben im Zisterzienserkloster

mit seiner Entsagung und seinem konsequenten Gemeinschaftsleben. Der

Mönch „kennt sein eigenes Elend, kennt darum auch die Not seines Nächsten

und entledigt sich unnützer Güter, damit andere keinen Mangel leiden an dem,

was sie, wie er aus eigener Erfahrung weiß, notwendig haben. Er will sich ja

nicht jene Güter als Eigentum anmaßen, die nach Gottes Willen gemeinsam

sein sollen. Der Zisterzienser schenkt nicht, wenn er verzichtet, er stattet

lediglich zurück. Die soziale Gerechtigkeit wieder aufrichten bedeutet ihm,

sich freiwillig dem göttlichen Willen zur Gerechtigkeit einen: er liebt seinen

Nächsten wirklich wie sich selbst aus Liebe zu Gott.“[78]

 

Gott greift die „fleischliche“ Liebe auf

 

Sein pädagogisches Prinzip, den Menschen dort zu bejahen und abzuholen, wo

er in seiner Armut und Sünde steht, hat Bernhard aus der Bibel, von Gott

selbst gelernt. Und es entspricht seiner persönlichen Grunderfahrung, von

allem Anfang an bedingungslos geliebt und angenommen zu sein. In einer

originellen Predigt schildert er Gottes Überlegungen:

 

„Als Gott sein edles Geschöpf, den Menschen, wiedergewinnen wollte, sagte

er zu sich selbst: Zwinge ich ihn gegen seinen Willen, so habe ich einen

Esel, keinen Menschen. Denn er wird keineswegs von selbst und aus freien

Stücken zu mir kommen ... Soll ich Eseln mein Reich anvertrauen ? Oder

soll ich als Gott um Ochsen werben? Damit er freiwillig kommt, will ich

ihm Schrecken einjagen. Vielleicht bekehrt er sich dann und lebt. Und Gott

drohte mit den schlimmsten Dingen, die erdenklich waren, mit ewiger

Finsternis, mit Würmern, die nie sterben und mit einem Feuer, das nie

erlischt. Aber der Mensch ließ sich davon nicht beeindrucken.

Da sagte Gott: Er hat nicht nur eine Anlage zur Angst, sondern auch eine

Anlage zur Begierde. Ich will ihm das versprechen, was ihm am ersehnlich-

sten erscheint... Wenn die Menschen schon derart an diesem elenden,

mühsamen und kurzfristigen Leben hängen, wird sie gewiss die Aussicht auf

ein ruhiges, ewiges, seliges Leben faszinieren. So versprach er ihnen das

ewige Leben; er versprach ihnen, was kein Auge gesehen, was kein Ohr

gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen ist.

Als Gott sah, dass auch das nichts half, sagte er sich: Jetzt bleibt noch eines

übrig. Im Menschen wohnen nicht nur die Angst und die Begierde, sondern

auch die Liebe, und nichts zieht ihn stärker. So ging Gott ins Fleisch ein...[79]

Er machte sich zum Toren. . ., war betrunken vom Wein der Liebe und

vergaß sich selbst..., und die Weisheit wurde völlig verhüllt und fleischlich.“[80]

 

An einer anderen Stelle formuliert Bernhard den Grundsatz:

 

„Weil wir fleischlich sind und aus der Begierlichkeit des Fleisches geboren

werden, muss unsere Begierde oder Liebe im Fleisch beginnen. Wird diese in

die rechte Ordnung gelenkt, so wird sie unter Führung der Gnade in

bestimmten Stufen voranschreiten und schließlich im Geist zur höchsten

Vollendung gelangen. Denn nicht das Geistige steht am Anfang, sondern

das Fleischliche, Animalische; dann erst kommt das Geistige (vgl. 1 Kor

15,46)“.[81]

 

Der arme Mensch findet den armen Gott

 

Der Mensch, dem die Erfahrung seiner eigenen Armut die Augen für die

Armut der ändern geöffnet hat und dessen Liebe noch ganz „fleischlich“ ist,

kann dank der Erniedrigung und Fleischwerdung Gottes inmitten der

scheinbar ausweglosen Armut den armen Gott finden, der ihm einen Weg in

die Freiheit zeigt. Seit Jesus Christus einer von uns geworden ist, sind unser

Elend und unsere Mühsal zum Elend und zur Mühsal Gottes geworden.

 

„Es gibt etwas, das mich noch mehr bewegt, noch mehr drängt, noch mehr

entzündet. Mehr als alles, sage ich, lässt mich dich, guter Jesus, der Kelch

lieben, den du getrunken hast, dein Werk zu unserer Erlösung. Das nimmt

leicht unsere ganze Liebeskraft für dich in Beschlag. Das, sage ich, ist etwas,

was unsere Hingabe mit größerer Zärtlichkeit anlockt, mit größerem Recht

fordert, mit größerer Strenge bindet, mit heftigerer Liebe entzündet. Denn

daran hat der Erlöser sehr hart gearbeitet. Solch ermüdende Arbeit nahm

der Schöpfer bei der Erschaffung der ganzen Welt nicht auf sich. Denn

damals sprach er, und es ward; er gebot, und es wurde geschaffen (Ps 33,9).

Aber hier traten gegen seine Worte Widerredner auf, gegen seine Taten

Kritiker, bei seinem Leiden Spötter, bei seinem Tod Schmäher. Siehe, so hat

er uns geliebt.“[82]

 

„Ich habe mich vom Beginn meiner Bekehrung an damit abgemüht (schreibt

Bernhard), mir statt vieler Verdienste, die mir ja doch fehlen..,, ein Büschel

Myrrhe zusammenzubinden und mir mitten auf die Brust zu legen[83]. Ich

habe es zusammengebunden aus allen Ängsten und Bitterkeiten meines

Herrn. Zunächst aus den Nöten seiner Kindheit, dann aus den Mühen, die

er beim Predigen ertrug, aus der Ermüdung beim Wandern, den betend

durchwachten Nächten, den Anfechtungen während seiner Fastenzeit, den

Tränen seines Mitleidens, den Fallstricken, die man ihm in der Unterredung

legte, zuletzt aus den Gefahren, die von den falschen Brüdern kamen, den

Schmähungen, dem Angespieenwerden, den Backenstreichen, den Verspot-

tungen, den Beschimpfungen, den Schmerzen der Nägel und ähnlichen

Bitterkeiten, die der Wald des Evangeliums... hervorgebracht hat.“[84]

 

Der Weg, das Verhalten und das Schicksal Christi – „sein Leben war eine passive Aktion, und in seinem Sterben erlitt er eine aktive Passion“[85] - zeigen

den Weg, das Verhalten und das Schicksal des Menschen. Dies ist der Kern

der Meditation Bernhards und seiner Mystik, die von daher ihre

christozentrische Prägung erhält.[86] Die „Passionsmystik“, die er und seine

Schüler entfalten, sucht die volle Identifikation mit dem leidenden und

sterbenden Christus, um seine Auferstehung zu erfahren. „Indem wir (mit dem

mit-leidenden Christus) gleichförmig werden, werden wir umgewandelt.“[87]

 

„Möchte doch auch an meine Sehne ein Engel rühren und sie lähmen, damit

mir diese Schwachheit endlich zum Fortschritt gereiche, wo ich doch aus

meiner eigenen Stärke immer nur versagen kann.“[88]

 

In Jesus Christus findet Bernhard den Schlüssel zur Deutung und Verwirkli-

chung des tiefsten Sinnes der menschlichen Existenz und zugleich ein

menschliches Gegenüber, dem er die ganze Leidenschaft seiner affektiven

Liebe zuwenden kann: denn Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch ihn

menschlich lieben kann, mit der gleichen Wärme und Sympathie, mit der er

auch anderen Menschen zugetan ist[89], - und mit der gleichen Doppeldeutigkeit

einer solchen Liebe, in der schwer auszumachen ist, ob sie um der eigenen

Erfüllung willen oder wirklich um des anderen willen glüht. Wieder sagt

Bernhard in seinem Optimismus: Auch wenn es eine Liebe des Menschen „um seiner selbst willen, nicht um des ändern willen“ ist[90], so ist es doch jedenfalls

schon eine Liebe, und darum ist sie grundsätzlich gut.[91]

 

„Mich beschämt es, dass mich die Erinnerung an einen Menschen mehr anregt

als die Erinnerung an Gott. Und ich rufe stöhnend aus: ‚Wann darf ich

kommen und vor Gottes Antlitz erscheinen?’ (Ps 42,3). Ich glaube, manche

von euch haben schon die gleiche Erfahrung gemacht und machen sie

immer noch. Was ist davon zu halten? Ich denke, das dient dazu, unseren

Stolz zu besiegen, unsere Demut zu wahren, unsere brüderliche Liebe zu

nähren und unsere Sehnsucht zu schüren.“[92]

 

Und auch die Liebe zum Menschen Jesus, so unvollkommen sie anfangs sein

mag, wird in der Begegnung allmählich geläutert: denn was und wen man liebt,

dem wird man ähnlich, und in Jesus ist ja mehr als nur Menschliches.

 

„Beachte, dass die Liebe des Herzens gewissermaßen fleischlich ist; so bewegt

sie (afficit) das Herz des Menschen stärker zur Liebe zum Fleisch Christi

und zu dem, was Christus im Fleisch getan und geboten hat.“[93]

„Deshalb will ich als Mensch zu Menschen von ihm als Menschen sprechen.[94]

Alle Empfindungen (affectiones) der fleischlich Gesinnten ..., die sich nur

auf fleischliche Weise lieben lassen konnten, wollte er zunächst zur

heilsamen Liebe zu seinem Fleisch bewegen, um sie dann stufenweise zur

geistlichen Liebe zu führen.“[95]

 

Bernhard führt an der hier zitierten Stelle weiter aus, wie die Apostel sich aus

falschen, allzu irdischen Erwartungen zur Nachfolge Jesu entschlossen hatten:

so unvollkommen konnte - und durfte - der Anfang sein.

 

Mit diesem menschlichen Zugang zum Menschen Jesus hilft Bernhard einer neuen

Form der Christusliebe zum Durchbruch, die die kultische, objektiv-

pneumatische Verehrung des Gottmenschen und Pantokrators, wie er in den

Apsiden der byzantinischen und romanischen Kirchen thront, ablöst.[96]

 

Auf dem Weg mit Christus reift die Liebe des Menschen

 

Einmal mit Christus bekannt und mit ihm auf dem Weg, wächst der Mensch in

der Liebe.

 

„Zunächst hat er Gott verehrt und aufgesucht, weil er ihn für sich

brauchte.[97] Je mehr er indes über ihn nachdenkt und liest, je mehr er zu ihm

betet und ihm gehorcht, desto vertrauter wird er mit ihm, und ganz

allmählich leuchtet ihm Gott spürbar auf. Daraus ergibt sich, dass er immer

mehr Geschmack an Gott findet. Und wenn er so verkostet, wie gut der

Herr ist, gelangt er auf die ... Stufe, wo er Gott nicht mehr um seines

eigenen Gewinnes, sondern um seiner selbst willen liebt.[98] In diesem

Zustand bleibt man dann lange; und ich weiß nicht, ob ein Mensch in

diesem Leben ganz so weit kommen kann, dass er (auf einer weiteren Stufe)

sich selbst nur noch um Gottes willen liebt. Wer darin Erfahrung hat, mag

davon Zeugnis geben. Mir jedenfalls, so gestehe ich, kommt es unmöglich

vor. Es wird zweifellos dann wahr werden, wenn der gute und getreue

Knecht in die Freude seines Herrn eingeführt wird (Mt 25,21) und trunken

sein wird von der Fülle des Hauses Gottes (Ps 36,9). Er wird dann auf eine

wunderbare Weise sozusagen ganz sich selbst vergessen, gleichsam ganz

und gar sich selbst entschwinden und ganz in Gott eingehen: von da an

wird er ihm anhangen und ein Geist mit ihm sein (vgl. 1 Kor 6,17).“[99]

 

Der letzte Satz dieses Zitates ist eine behutsame Beschreibung der mystischen

Ekstase, des Aus-stehens des Menschen aus sich selbst in Gott hinein, die in

ihrer Vollendung und Dauer erst nach diesem irdischen Leben erreicht, aber

für kurze Augenblicke doch schon hienieden als gnadenhaftes Geschenk

erfahren werden kann.

Bernhard beschreibt den Weg dorthin sehr nüchtern und praktisch: Er besteht

im Denken an Gott, im Lesen über ihn, im Gebet und im Gehorsam

gegenüber seinem Willen, kurz: in der Praxis des geistlichen Suchens und des

tätigen christlichen Lebens.

 

„Das Richtmaß ist dabei die Selbstentäußerung Gottes[100]; die Frucht besteht

darin, dass wir von ihm erfüllt werden. Dies zu betrachten, ist der Wurzelgrund der heiligen Hoffnung; es ist der Zündstoff für die höchste Liebe".[101]

„Dem Betenden steht das Bild des Gottmenschen vor Augen, wie er geboren

oder gestillt wird, wie er lehrt, stirbt und aufersteht oder zum Himmel

aufsteigt.“[102]

 

Charakteristisch für Bernhard ist, dass er sich in seiner Betrachtung der

Lebensstationen Jesu nicht in frommer Phantasie die Details bis ins einzelne

ausmalt, sondern er wird immer schnell beeindruckt von der Grundhaltung,

vom „modus“[103] Jesu: von seiner Entäußerung, Erniedrigung und Demut und

von seinem Gehorsam. Bernhards Lebensform als Mönch stellte ja offensicht-

lich keine naiv-buchstäblich verstandene „Imitation“ des irdischen Lebens Jesu

dar.

Das Wachstum in der Liebe und im Ähnlichwerden mit Jesus - Bernhards

geistliche Lehre und Erfahrung erinnert in allem stark an Paulus - bedeutet

zugleich ein Hineinwachsen in das Leben des dreifältigen Gottes: durch die

Mühe der Erniedrigung macht uns der Sohn als Lehrer zu Schülern Gottes;

durch das Empfinden des Mitleidens und Mitliebens, das uns der Heilige Geist

als Bruder und Freund eingibt, werden wir zu Freunden Gottes; und durch das

Angenommenwerden vom Vater werden wir zu Söhnen Gottes.[104]

Dies ist im übrigen nichts dem Menschen und damit unserer Erfahrung völlig

Fremdes, sondern wir alle tragen eine Ahnung, eine Intuition davon in unserer

Erinnerung, da wir von Gott als seine Bilder und Ebenbilder ausgegangen

sind:

 

„Du brauchst keinen neuen Weg zu suchen, sondern du musst nur den dir

bekannten Weg wiederfinden, den du herabgestiegen bist.“[105]

 

Das Sich-selbst-Genommenwerden von Gott

 

In einem kühnen Bild vergleicht Bernhard den Reifungsprozess des Menschen

zur Vereinigung mit Gott hin als ein Gegessenwerden des Menschen von Gott

und Gottes vom Menschen. Er spricht in diesem Zusammenhang nicht

ausdrücklich von der eucharistischen Kommunion, obwohl dies naheliegend

wäre und bei ihm eine selbstverständliche Voraussetzung ist; aber seine

geistliche Lehre ist von einer „auffallenden Asakramentalität“[106]. Er bespricht

vorrangig die konkreten Erfahrungen des einzelnen und lebt vor allem aus

dem Wort der Heiligen Schrift.

 

„Gottes Nahrung ist meine Bekehrung, seine Nahrung ist mein Heil, seine

Nahrung bin ich selbst. Isst er denn nicht Asche wie Brot? Und da ich ein

Sünder bin, bin ich Asche, um von ihm gegessen zu werden. Wenn ich

zurechtgewiesen werde, werde ich gekaut; wenn ich unterwiesen werde,

werde ich geschluckt; wenn ich verändert werde, werde ich gekocht; wenn

ich umgewandelt werde, werde ich verdaut; wenn ich ihm gleichgeformt

werde, werde ich mit ihm vereint.

Wundert euch darüber nicht: er isst uns, und er wird von uns gegessen, je

enger wir mit ihm verbunden sind. Und es gibt keine andere Möglichkeit für

uns, völlig mit ihm geeint zu werden. Denn wenn ich ihn esse, aber nicht

von ihm gegessen werde, ist er zwar in mir, aber ich bin noch nicht in ihm.

Und wenn ich von ihm gegessen werde, aber ich ihn nicht esse, hat er mich

zwar in sich, aber er ist noch nicht in mir. In beiden Fällen ist die

Vereinigung nicht vollkommen. Erst wenn er mich isst, um mich in sich zu

haben, und wenn er umgekehrt von mir gegessen wird, damit ich ihn in mir

habe, ist die Vereinigung vollständig und fest. Dann bin ich in ihm, und er

ist genauso in mir.“[107]

 

Bernhards eigene Lebenspraxis ist das beste Beispiel dafür, dass die Einübung

in das „Sich-essen-Lassen“ nicht nur in der Zweisamkeit mit Gott stattfindet,

sondern im täglichen Umgang mit den Menschen. Er hat sich von den

Menschen buchstäblich „auffressen“ lassen. In einer Predigt sagte er zu seinen

Mönchen:

 

„Nehmt mich in Anspruch, wenn nur ihr gerettet werdet! Ihr werdet mich

schonen, indem ihr mich nicht schont. Und ich will eher darin meine Ruhe

finden, dass ihr ohne Bedenken meine Ruhe stört, wenn ihr etwas auf dem

Herzen habt. Ich will euch zur Verfügung stehen, soweit ich es kann; will in

euch meinem Gott in ungeheuchelter Liebe dienen, solange ich lebe. Ich

will nicht das Meine suchen, auch nicht, was mir gut tut; sondern was vielen

nützt, das will ich auch für mich als nützlich ansehen.“[108]

 

Das Sich-selbst-Genommenwerden ist denn auch der Ausdruck, mit dem

Bernhard den Gipfelpunkt der mystischen Erfahrung beschreibt:

 

„Es gibt zwei Weisen der Kontemplation. Manche Menschen steigen (aus

eigener Anstrengung) hinauf und stürzen ab; andere jedoch werden (sich

genommen und hinauf)gerissen (rapiuntur) und steigen herab... (Die

ersteren) haben ihren eigenen Kräften und ihrer Fähigkeit zugeschrieben,

was (in Wirklichkeit) Gott ihnen offenbart hat. Darum folgt ihr Absturz:

‚und sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit. Sie behaupteten, weise

zu sein, und wurden zu Toren’ (Rom 1,21 f). Die Auserwählten dagegen

werden hingerissen (rapiuntur), wie Paulus und alle, die ihm gleichen. Auch

sie steigen herab, um das, was sie in der Ekstase (per excessum mentis)

geschaut haben, den Unmündigen weiterzusagen.“[109]

 

„Die Kontemplation wird geschenkt, indem das WORT Gottes aus Gnade

zur menschlichen Natur herabsteigt und indem die menschliche Natur von

der Liebe Gottes zu diesem WORT emporgehoben wird.“[110]

 

In der Entrückung, die Paulus beschreibt (2 Kor 5,13 ;12,1-5), findet

Bernhard seine eigene Erfahrung wieder. Es gebe Menschen, so schreibt er,

 

„die zuweilen in einer Ekstase der Kontemplation im Geist sich selbst

genommen werden und ein ganz klein wenig von der Süße der ewigen

Glückseligkeit verkosten dürfen. Sie sind so lange frei von der Not (des

irdischen Daseins), wie sie sich auf diese Weise genommen sind. Und sie

erfreuen sich .. . schon in diesem Fleisch, wenn auch selten und nur in jähen

Momenten, völliger Freiheit, das Gute zu wollen.“[111]

 

Erfahrungen der Nähe und der Vollendung

 

Die ekstatischen Erfahrungen, die Bernhard mit den Ausdrücken „raptus“

(Hingerissenwerden) und „excessus“ (Außersichsein) bezeichnet, erweisen sich

ganz konsequent als die Vollendung seiner Lehre von der Liebe. Sie sind von

keinerlei außergewöhnlichen Begleitumständen umgeben, sondern stellen den

Zustand vollkommener Liebe dar, eine Integration restlos aller Wahrnehmungen und Strebungen in die allumfassende Liebe Gottes:

 

„Die Liebe hat an sich selbst genug. Wo die Liebe einzieht, zieht sie alle

anderen Empfindungen (affectūs) an sich und nimmt sie gefangen. Deshalb

liebt die Seele, die liebt, und sie kennt nichts anderes als: lieben.“[112]

 

Als Dauerzustand kann der Mensch das erst nach diesem Leben erreichen.

Aber es gibt kurze Augenblicke der Erfahrung reiner, vollkommener Liebe,

und darum des Einsseins mit Gott:

 

„Das Fleisch und Blut, das tönerne Gefäß, die irdische Wohnstatt: wann

können sie das fassen ? Wann erfahren sie dieses Angerührtwerden: dass der

Geist, trunken von göttlicher Liebe, sich selbst vergisst, wie ein Gefäß in

sich selbst zerbricht, ganz in Gott eingeht, Gott anhängt und ein Geist mit

ihm wird (vgl. 1 Kor 6,17)? Dass er sagt: ‚Mein Fleisch und mein Herz

vergehen, Gott ist der Gott meines Herzens, und mein Anteil ist Gott in

Ewigkeit’ (Ps 73,26, Vulgata)?

Selig nenne ich den und heilig, dem geschenkt wird, etwas derartiges in

diesem sterblichen Leben zu erfahren, selten zwar, aber doch zuweilen;

oder auch nur einmal, und dies ganz plötzlich, im Zeitraum eines einzigen

winzigen Augenblicks. Denn das ist ein Anteil am Zustand der Himmlischen,

nicht Sache menschlichen Empfindens: dich sozusagen zu verlieren,

gleichsam als wärest du nicht mehr; dich selbst überhaupt nicht mehr zu

spüren, deiner selbst entledigt und nahezu zu Nichts geworden zu sein.“[113]

 

Bernhard beschreibt diese Vereinigung mit den klassisch gewordenen Verglei-

chen, die Maximus Confessor (+ 662) erstmals gebraucht hat:

 

„Wie ein kleiner Wassertropfen, der in eine Menge Wein fällt, sich scheinbar

ganz auflöst, indem er den Geschmack und die Farbe des Weines annimmt;

und wie ein glühendes und leuchtendes Eisen ganz wie das Feuer wird und

seine frühere eigene Form ablegt; und wie die Luft, durch die ein

Sonnenstrahl fährt, in die gleiche lichtvolle Klarheit verwandelt wird, so

dass sie nicht nur erleuchtet, sondern selbst Licht zu werden scheint: so

muss in den Heiligen alle menschliche Liebeskraft (humana affectio) auf

eine unaussprechliche Weise sich selbst ganz verflüssigen und sich ganz und

gar in das Wollen Gottes ergießen. Denn wie anders würde Gott alles in

allem sein, wenn im Menschen noch etwas vom Menschen übrig bliebe?

Zwar bleibt seine Substanz, aber in einer anderen Form, in einer anderen

Herrlichkeit, in einer anderen Potenz. Wann wird dies der Fall sein ? Wer

wird das zu schauen bekommen? Wer wird das besitzen? Wann darf ich

kommen und vor dem Antlitz Gottes erscheinen (Ps 41,3) ? Mein Herr und

Gott, zu dir spricht mein Herz, dich sucht mein Antlitz; dein Angesicht,

Herr, will ich suchen (Ps 27,8). Glaubst du, ich werde deinen heiligen

Tempel schauen?“[114]

 

Eine solche Erfahrung muss bezahlt werden um den Preis der um so

schmerzlicheren Erfahrung des gewöhnlichen Alltags, in dem noch nicht diese

Liebe alles beherrscht und erfüllt:

 

„Und wenn einer der Sterblichen zuweilen dazu - wie gesagt: für einen

kurzen Augenblick - hingerissen wird, so neidet ihm das sogleich die

nichtsnutzige Welt, verwirrt ihn die Bosheit des Tages, belastet ihn der

Todesleib mit seiner Schwere, meldet sich die Notwendigkeit seines

Fleisches, erträgt es seine Schwäche und Hinfälligkeit nicht, und was ihn am

gewalttätigsten davon fortreißt, ist die Liebe zu den Brüdern, die ihn

zurückruft. Wehe! Er wird gezwungen, zu sich selbst zurückzukehren, auf

sich selbst zurückzufallen, und aus seinem Elend kann er nur schreien:

‚Herr, ich leide Gewalt, stehe du für mich Rede und Antwort!’ (Jes 38,14)

und: ‚Ich unglückseliger Mensch, wer wird mich aus diesem Todesleib

befreien?’ (Röm 7,24).“[115]

 

Im übrigen ist der Mensch noch gar nicht fähig, die Fülle der Liebe und der

Herrlichkeit Gottes zu ertragen: sie würde sein allzu enges Gefäß sprengen.

Deshalb wird sie, wenn sie einmal aufblitzt, sofort abgeschattet:

 

„Wenn aber jäh (raptim) und schnell wie ein zuckender Blitz in einer Ekstase

dem Geist etwas unmittelbar von Gott her aufleuchtet, so treten sofort, ich

weiß nicht woher, bildliche Vorstellungen von Dingen niedrigeren Ranges

auf, entweder um den überstarken Glanz zu dämpfen oder um der

Unterweisung zu dienen; sie sind den von Gott her überströmten Sinnen

angepasst und umschatten sozusagen jenen völlig reinen, blendend leuchten-

den Lichtstrahl der Wahrheit, damit ihn die Seele ertragen und für die,

denen sie ihn mitteilen will, fasslicher machen kann.“[116]

 

Die Alltagsform und der „Schatten“ dieser Liebe ist der Dienst am Bruder, vor

allem der Dienst des Wortes:

 

„Beachte aber, dass (die Braut) etwas anderes empfängt, als sie ersehnt. Sie

bemüht sich um die Ruhe der Kontemplation, aber ihr wird die Mühe des

Predigens auf erlegt. Sie dürstet nach der Gegenwart des Bräutigams, aber

ihr wird die Sorge aufgebürdet, dem Bräutigam Kinder zu gebären und sie

zu ernähren. Und dies erlebt sie nicht nur gegenwärtig; bereits ein anderes

Mal, so kann ich mich erinnern, als sie sich nach den Umarmungen und

Küssen des Bräutigams sehnte, bekam sie zur Antwort: ‚Besser als Wein

sind deine Brüste’ (Hld 1,1, Vulgata). Sie sollte daraus erkennen, dass sie

Mutter sei und sich darum kümmern solle, den Kleinen Milch zu reichen

und ihre Kinder zu ernähren... So empfängt die Braut, die sehnlichst wissen

will, wo der Geliebte zur Mittagszeit weidet und ruht, statt seiner ‚goldene

Gehänge, mit Silber bunt besetzt’ (Hld 1,10, Vulgata), das heißt: Weisheit

und die Gabe der Rede, zweifellos dazu, dass sie sich der Verkündigung

widme. Das soll uns wohl zur Lehre sein, dass wir meist die süßen Küsse

unterbrechen müssen, um die Brust mit Milch zu reichen; und dass keiner

für sich, sondern für alle leben soll.“[117]

 

In ihrem innersten Kern ist die mystische Erfahrung transzendentaler Natur:

sie übersteigt alle Kategorien menschlichen Empfindens und Erfahrens, und

nur ihr Nachhall wird in der Erinnerung greifbar. Bernhard bringt das ins Bild

von der Braut, die schläft und sich beim Aufwachen erinnert, dass da „etwas“

Unfassbares war:

 

„Schließlich wird die Seele ins Ruhegemach des Königs zugelassen, nach

dessen Liebe sie krank ist. Dort ruht sie ein kleines Weilchen köstlich in

seinen Umarmungen, nach denen sie sich so gesehnt hat, wenn für eine

halbe Stunde ein Schweigen im Himmel eintritt. Sie selbst schläft zwar, aber

ihr Herz wacht und durchforscht in dieser Zeit die Geheimnisse der

Wahrheit. Und wenn sie wieder zu sich zurückgekehrt ist, zehrt sie von der

Erinnerung an sie. Dort schaut sie Unschaubares, hört Unaussprechliches,

das kein Mensch aussprechen darf. Das übersteigt alles jenes Wissen, das

eine Nacht der andern zuraunt. Doch ein Tag gibt das Wort an den andern

Tag weiter, und unter Weisen darf von der Weisheit gesprochen und an

geistliche Menschen darf Geistliches weitergesagt werden.“[118]

 

Bei der Beschreibung dieser Erfahrung versagen die Worte. Es lässt sich

leichter sagen, was sie nicht ist, und am ehesten kann man sie umschreiben,

indem man ihre Wirkungen auf den Menschen nennt:

 

„Eine so ergriffene und mit Liebe beschenkte Seele wird mit jener

Offenbarung des Bräutigams nicht zufrieden sein, die durch die geschaffe-

nen Dinge sehr vielen Menschen zuteil wird, noch mit jener, die wenige in

Geschichten und Träumen erleben. Die Seele gibt sich erst zufrieden, wenn

sie den besonderen Gnadenerweis erfährt, den vom Himmel her sich ins

innerste Mark ihres Herzens senkenden Gott in zartester Liebe aufnehmen

und ihn, nach dem sie verlangt, bei sich haben zu dürfen, nicht bildhaft,

sondern ins Innerste eingesenkt, nicht den Sinnen wahrnehmbar, sondern

im Innersten ergreifend. Ohne Zweifel ist sie um so seliger, je mehr er innen

und nicht mehr außen ist. Denn er ist ein WORT, das nicht tönt, sondern

eindringt; das nicht redet, sondern wirkt; das nicht in den Ohren klingt,

sondern die innersten Strebungen liebevoll betört. Er hat kein Antlitz mit

ganz bestimmt geformten Zügen, sondern er formt uns selbst zu seinem

Antlitz; er fällt nicht in die Augen des Leibes, sondern erfüllt das Antlitz des

Herzens mit Freude; fasziniert durch seine Liebe, nicht durch seine Farbe.“[119]

 

In seiner „Narrenpredigt“ erzählt Bernhard seinen Mönchen, wie er das

Kommen des WORTES selbst erfahren hat. Zunächst beschreibt er den

transzendentalen Charakter dieser Erfahrung:

 

„Jetzt aber ertragt eine kleine Weile ein bisschen Torheit von mir. Ich will,

wie versprochen, erzählen, wie es mir selbst hierin ergangen ist. Das gehört

sich zwar nicht. Doch ich will etwas verraten, um euch zu nützen. Und

wenn ihr dadurch Fortschritte macht, will ich getrost meine Torheit tragen;

wenn nicht, gestehe ich meine Torheit offen ein.

Ich bekenne, auch zu mir ist das WORT gekommen - ich sage das voller

Torheit -, und schon öfter. Obwohl es öfter bei mir eingekehrt ist, habe ich

einige Male sein Eintreten gar nicht bemerkt. Ich spürte, dass es da war. Ich

erinnerte mich im Nachhinein, dass es zugegen gewesen war. Zuweilen

konnte ich auch sein Kommen vorausspüren, aber unmittelbar spüren

konnte ich sein Kommen niemals, und auch nicht sein Gehen. Denn woher

es in meine Seele kam oder wohin es wiederum ging, das, so gestehe ich,

weiß ich bis zur Stunde noch nicht, nach dem Schriftwort: ‚Du weißt nicht,

woher er kommt oder wohin er geht’ (Joh 3,8). Das ist kein Wunder, denn

es ist ja der, von dem es heißt: ‚Und deine Spuren erkennt man nicht’ (Ps

77,20, Vulgata).

Sicher ist das WORT nicht durch die Augen eingetreten, denn es hat keine

Farbe. Auch nicht durch die Ohren, denn es hat keinen Klang. Auch nicht

durch die Nase, denn es durchdringt nicht die Luft, sondern den Geist; hat

zwar die Luft erschaffen, schenkt ihr aber keinen Duft. Auch nicht durch

den Gaumen, denn es ist nichts, was man essen oder trinken kann. Auch

mit dem Tastsinn habe ich es nicht erfasst, denn man kann es nicht

berühren. Auf welchem Weg ist es also hereingekommen ? Oder ist es

vielleicht gar nicht hereingekommen, weil es nicht von draußen gekommen

ist? Denn es ist ja nicht ein Ding außerhalb meiner selbst. Aber es kann

auch nicht aus meinem Innern gekommen sein, weil es gut ist und weil ich

weiß, dass in mir nichts Gutes ist. Ich bin in die höchsten Giebel meines

Wesens hinaufgestiegen - und siehe: das WORT war oberhalb von allem.

Ich bin in die tiefsten Keller meines Wesens als neugieriger Forscher

hinabgestiegen - und dennoch: es fand sich unterhalb von allem. Wenn ich

nach draußen schaute, so erfuhr ich, dass es weiter außen als alles war, was

außerhalb von mir ist. Wenn ich in mein Inneres schaute, dass es weiter

innen als alles war, was in mir ist. Und ich erkannte, wie wahr es ist, was ich

gelesen habe: ‚In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir’ (Apg

17,28). Aber selig ist der, in dem das WORT ist, der für das WORT lebt,

der durch das WORT bewegt wird!“[120]

 

Dann erläutert er, dass diese unwahrnehmbare Erfahrung des WORTES aus

ihren Wirkungen erschlossen werden könne:

 

„Du fragst nun, woher ich überhaupt weiß, dass das WORT da ist, wenn

doch alle seine Wege derart unwahrnehmbar sind. Es ist lebendig und

wirksam (vgl. Hebr 4,12). Gleich nach seinem Eintreten weckte es meine

schlafende Seele auf. Es bewegte, erweichte und verwundete mein Herz,

denn dieses Herz war hart und steinern und recht krank. Das WORT

begann auszureißen und zu zerstören, aufzubauen und zu pflanzen (vgl. Jer

18,9), das Dürre zu bewässern, das Finstere zu erleuchten, das Verschlossene zu öffnen, das Gefrorene in Glut zu versetzen, das Krumme

gerade und das Unebene zu ebenen Wegen zu machen (vgl. Lk 3,5), so dass

meine Seele den Herrn pries, und alles, was in mir ist, seinen heiligen

Namen (vgl. Ps 103,1). So trat zu mir manchmal das WORT als Bräutigam

ein. Aber niemals hat es sein Eintreten durch irgendwelche Anzeichen

kundgetan, weder durch ein Wort, noch durch eine Gestalt oder einen Schritt. Kurz: durch keinerlei Bewegung seiner selbst wurde es mir offenbar, durch keines meiner

Sinnesorgane glitt es in mein Inneres. Nur an der Erregung meines Herzens

habe ich, wie schon gesagt, seine Gegenwart erkannt. Am Schwinden meiner

Leidenschaften, am Zusammenschrumpfen meiner fleischlichen Empfin-

dungen merkte ich seine mächtige Wirkkraft. Am Aufstöbern und Entlarven

meiner verborgenen Schwächen und Fehler stellte ich staunend die Tiefe

seiner Weisheit fest. An einer noch so geringen Verbesserung meiner

Lebensart erfuhr ich, wie gut und mild es war. An der Erneuerung und

Wiederherstellung meiner inneren Gesinnung, das heißt meines inneren

Menschen, stellte ich bis zu einem gewissen Grad fest, wie schön seine

Gestalt war. Und angesichts all dieser Wirkungen geriet ich in Schrecken

und Staunen ob seiner gewaltigen Größe.

Doch sobald das WORT wieder entschwunden ist, beginnt all dies sogleich

wie in einer Krankheit starr und kalt dazuliegen, wie wenn man unter einem

kochenden Topf das Feuer wegnimmt. Und das ist für mich das Zeichen,

dass es fortgegangen ist: Meine Seele wird mit einem Mal traurig, bis es

wiederkommt und wie gewohnt mein Herz in meinem Innern erwärmt.

Diese Erwärmung wäre mir das Zeichen dafür, dass es zurückgekehrt ist. Da

ich schon solches mit dem WORT erfahren habe, darf es nicht Wunder

nehmen, wenn ich mir auch die Stimme der Braut aneigne, um das WORT

zurückzurufen, wenn es sich entfernt hat. Trägt mich doch, wenn nicht die

gleiche, so doch eine zumindest stückweise ähnliche Sehnsucht. Zeit meines

Lebens wird dieses ‚Komm zurück!’ (Hld 2,17) ein Wort sein, das ich oft

gebrauchen werde, um das WORT zurückzurufen.“[121]

 

Eine Wirkung der Nähe des WORTES ist auch die Erfahrung, dass sich ihm die

Geheimnisse des Wortes Gottes erschließen:

 

„Wenn ich spüre, wie mein Sinn geöffnet wird für das Verständnis der

Heiligen Schrift, oder wie das Wort der Weisheit gleichsam aus meinem

Innersten hervorsprudelt, oder wie mir von oben Licht eingegossen wird

und sich mir Geheimnisse erschließen, oder wie der Himmel mir sozusagen

seinen unermesslich weiten Schoß öffnet und von oben meinen Geist mit

einem überreichen Regen von Meditationsanregungen überschüttet: dann

zweifle ich nicht, dass der Bräutigam da ist. Denn das sind die Schätze des

WORTES, und aus seiner Fülle empfangen wir all dies.“[122]

 

Oder, statt der Erfahrung der Fülle, die Erfahrung vollkommener Einfachheit,

Bildlosigkeit und Ruhe:

 

„Es gibt einen Raum, wo man Gottes in seiner Stille und Ruhe gewahr wird.

Das ist nicht der Raum, wo Gott als Richter oder als Lehrer, sondern wo er

als Bräutigam begegnet. Möge das doch auch meine .. . Ruhekammer

werden, wenn mir zuteil wird, irgendwann darin eingeführt zu werden! Aber

ach: das gelingt zu seltener Stunde einen kurzen Moment! ...

(Als es mir einmal geschenkt wurde), da stieg in mir plötzlich eine solche

Zuversicht auf - obwohl ich wusste, ein Sünder zu sein und eine solche

Freude strömte in mich ein, dass sie sicher weit größer war als die Furcht,

die ich zuvor am Ort des Schreckens ...(d.h. auf der Vorstufe dazu)

empfunden hatte. Und ich kam mir vor wie einer der Seligen des Himmels.

O hätte das doch angedauert! Komm wieder, Herr, komm wieder und suche

mich heim mit deinem Heil, damit ich das Glück deiner Auserwählten

schaue und mich freue an der Freude deines Volkes (Ps 106, 4-5)!

O Stätte wahrer Ruhe! Nicht zu Unrecht habe ich dich als Ruhekammer

bezeichnet. Hier schaut man Gott nicht wie im Zorn erregt oder wie von

Sorgen zerrissen, sondern hier erweist sich sein Wille als gut, als

wohlgefällig und vollkommen. Diese Schau schreckt nicht, sondern beruhigt

voll Milde; sie weckt keine unruhige Neugier, sondern stillt; sie ermüdet

nicht die Sinne, sondern lässt sie zur Ruhe kommen. Hier ruht man wirklich.

Der stille Gott erfüllt alles mit Stille: und ihn in seiner Ruhe schauen, heißt

selbst ruhen...

Wenn einmal einer von euch in einer glücklichen Stunde in dieses geheime

Gemach und in dieses Heiligtum Gottes entrückt wird, dann ist er dort

geborgen. Nichts lenkt ihn dort ab und verwirrt ihn; kein umherschweifen-

der Sinn, keine quälende Sorge, kein nagendes Schuldbewußtsein, und selbst

nicht die Phantasie, die noch schwerer zum Schweigen zu bringen ist,

behelligt ihn mit ihren plastischen Bildern. Wer von dort zu uns

zurückkommt, kann sich rühmen und sagen: ‚Der König hat mich in seine

Ruhekammer geführt’ (Hld 1,3).“[123]

 

Und dann wird wieder, in dieser Intimität mit dem WORT, der Auftrag

vernehmbar, zu seinen Brüdern zu eilen:

 

„Die Braut hört, sie solle sich aufmachen und eilen: zweifellos, um andere

Menschen zu gewinnen. Denn der wahren, selbstlosen Kontemplation ist es

eigen, den Geist, den sie am göttlichen Feuer zu heller Glut entfacht hat, immer wieder mit großem Eifer und heftigem Verlangen dazu zu drängen,

andere Menschen für Gott zu gewinnen. Sie sollen ihn ebenso lieben wie er

selbst, und der Verkündigung des Wortes zuliebe unterbricht er gern die

Ruhe der Beschauung. Kommt dann dieser Drang wieder zur Ruhe, so eilt

er mit um so größerer Sehnsucht zu sich selbst zurück, je mehr er erfährt,

dass die Unterbrechung seiner Beschauung belohnt wird. Und wiederum eilt

er, nachdem er aufs Neue die Beschauung gekostet hat, mit frischer Kraft

und mit dem gewohnten Schwung los, um andere für Gott einzufangen.

Übrigens ist der Geist bei einem derartigen dauernden Wechsel meist hin-

und hergerissen. Die Furcht bereitet ihm heftiges Kopfzerbrechen, ob er

angesichts der Zerrissenheit seiner Interessen nicht vielleicht doch mehr als

angemessen sich der einen oder anderen Seite zuwendet und so hier oder

dort, wenn auch nur wenig, vom göttlichen Willen abweicht. Vielleicht hat

auch der heilige Job etwas ähnliches erfahren, als er sagte: ‚Wenn ich

schlafen gehe, frage ich: wann darf ich mich erheben? Und wiederum warte

ich auf den Abend’ (Job 7,4). Das heißt: In der Ruhe habe ich ein

schlechtes Gewissen, meine Arbeit zu versäumen, und bei der Arbeit habe

ich ein schlechtes Gewissen, meine Ruhe aufgegeben zu haben. Du siehst,

wie der heilige Mann zwischen segensreicher Tätigkeit und ruhevoller

Kontemplation schmerzlich hin- und herschwankt. Und mag er sich auch

immer mit fruchtbaren Dingen abgeben, so büßt er es doch dauernd, als

habe er etwas Böses getan, und in jedem Augenblick fragt er seufzend, was

wohl der Wille Gottes sei. Das einzige Heilmittel, die einzige Zuflucht in

solchen Nöten ist das Gebet, das häufige Flehen zu Gott, er möge uns

jederzeit gnädig wissen lassen, was und wann und wie wir etwas tun

sollen.“[124]



[1] Isaak von Stella, 51. Predigt. PL 194, 1869 C.

[2] Instructio doctos reddit, affectio sapientes. Cant. 23,14. Opera I,147,24; PL 183,891D.

Abkürzungen für Bernhards Werke:

Cant. = Sermones super Cantica Canticorum (Predigten über das Hohelied)

Cons.= De Consideratione (Über die Erwägung)

Conv.= Ad Clericos de Conversione (An die Kleriker über die Bekehrung)

Dil. = De diligendo Deo (Über die Gottesliebe)

Div.= Sermones de Diversis (Predigten über verschiedene Themen)

Grad. = De gradibus humilitatis et superbiae (Uber die Stufen der Demut und des Stolzes)

Grat. = De gratia et libero arbitrio (Über die Gnade und den freien Willen).

Zitationsweise: Die Zitate werden nach der neuen kritischen Ausgabe Sancti Bernardi

Opera, hrsg. von J. Leclercq, C. H. Talbot, H. M. Rochais, Rom 1957ff. angegeben

(Band-Seitenzahl-Zeilen); ferner nach der bisher weiter verbreiteten und leichter

zugänglichen Ausgabe der Patrologia Latina von Migne (PL; Band-Spalte).

Die Übersetzungen sind vom Verfasser. Leider ist Bernhards Werk auf deutsch fast gar

nicht zugänglich. Einige Schriften sind vor dem zweiten Weltkrieg auf deutsch

erschienen, darunter als umfangreichste Sammlung die 5 Bände seiner Predigten,

übersetzt von A. Wolters, Wittlich 1934ff, die aber alle heute sprachlich etwas veraltet

sind.

[3] Res est in affectibus, nec ratione ad eam pertingitur, sed conformitate. Cant. 67,8.

Opera II,193,30-194,1; PL 183,1106 C.

[4] Das Bild und diese Deutung stammen von Origenes, in Anspielung auf Dtn 32,13 und

Ps 81,17.

[5] Cant. 85,7. Opera II,311,20-25; PL 183,1191 A.

[6] Vgl. P. Dumontier, S. Bernard et la Bible, Paris 1953.

[7] Vgl. Cant. 85,8. Opera II,312,24; PL 183,1191 D.

[8] Cons. V,VII,17. Opera III,480,23; PL 182,798 B.

[9] absque his non subsistit humana anima. Div. 50,2. Opera VI-1,271,17-18 ; PL 183,673 A.

[10] Cant. 83,2. Opera II,299,12-14; PL 183.1182 B.

[11] ipse creat affectionem, er erschafft die affectio. Dil. VII,22. Opera III,137,18; PL 182,987 B.

[12] sicaffici deificari est. Dil.X,28.Opera III,143,12-15; PL 182,991 A.

[13] De gradibus humilitatis et superbiae. Opera III,13-59; PL 182,941-972; geschrieben

vor 1124/25.

[14] Vgl. Vita I S. Bernardi (von Wilhelm v. St. Thierry), 1,1,3. PL 185,228 B: erat namque... amans habitare secum ... mire cogitativus.

[15] Allerheiligenpredigt 1,3. Opera V,329,4-5; PL 183,454 C.

[16] wörtlich: „... Herzen zu bewässern“. Cant. 16,1. Opera I,89,21-22; PL 183,849 A.

[17] Cant. 22,2. Opera I,130,7-8; PL 183,878 C.

[18] Cant. 79,1. Opera II,272,21-273,2; PL 183,1163 B-C.

[19] ... desiderio, non tarn cognoscendi quam experiendi... Non est strepitus oris, sed

iubilus cordis; non sonus labiorum, sed motus gaudiorum; voluntatum, non vocum

consonantia, Cant. 1,11. Opera I,7,28-8,1; PL 183,789 B-C.

[20] Stefan Gilson, Die Mystik des heiligen Bernhard von Clairvaux, Wittlich 1936.

[21] A.a.O. 49-53.

[22] Regel Benedikts, Kap. 7,67. Die Benediktusregel lateinisch-deutsch, hrsg. v. B. Steidle,

Beuron 1975.

[23] Gilson a. a. O. 60.

[24] Vita 1,1,3. PL 185,228 B und I,IV,19. PL 185,238 A.

[25] In Cant. 63-66 z. B. nimmt er die Füchse, die den Weinberg verwüsten (Hld 2,15) als

Bild für die persönlichen Anfechtungen der Mönche (63-64) und für die Ketzer, die

damals im Kölner Raum auftraten (65-66).

[26] Cons. II,III,6. Opera III,414,12-14; PL 182,745 C.

[27] Vgl. A. de Vogüé, La Règle de Saint Benoît, Commentaire historique et critique, t.IV, Paris

1971 (Sources Chrétiennes 184), 29-80.

[28] Regel Benedikts Kap. 31,19; 53,22; 64,5.

[29] Vor allem, und bis ins Extrem, in der cluniazensischen Tradition.

[30] Vgl. Fr. Ohly, Hohelied-Studien, Wiesbaden 1958, 121-158.

[31] Er zeigt sich zugleich reserviert gegen eine Auflösung dieser Synthese zugunsten des

Einsiedlerlebens bzw. des Individualismus. Vgl. z.B. Himmelfahrtspredigt VI,13. Opera V,158,3-

8; PL 183,321 C-D. Cant. 23,6 und 44,4; Briefe 7,1 und 11.

[32] Dil. 11,6 ; Opera III,124,3 ; PL 182,977 D-978 A.

[33] Vgl. die Karikatur des Neugierigen und die „Theologie der Neugier“ in Grad. X. Opera III,38-

45; PL 182,957 B-963 A.

[34] Conv. V,7. Opera IV,79,11-18; PL 182,839 A.

[35] libertas a necessitate. Vgl. Grat. IV,9. Opera III,172,17-173,24; PL 182,1006 C-1007 A. Dazu

Gilson a. a. O. 81 ff, mit Anm.

[36] liberum consilium; libertas a peccato. Vgl. Grat. IV-IX.

[37] liberum complacitum; libertas a miseria. Vgl. ebd.

[38] In Anspielung auf die Genesis-Stelle 1,26 der Vulgata, wo es heißt, Gott habe den Menschen

„ad imaginem et similitudinem“, als „Bild und Ebenbild“ seiner selbst, erschaffen. Die

Interpretation dieser Stelle in diesem oder einem ähnlichen Sinn geht auf die frühesten

Kirchenväter in Ost und West zurück und ist Allgemeingut geworden. Vgl. den Artikel „Image et

Ressemblance“ im Dictionnaire de Spiritualité t.VII, Paris 1971, 1401-1472 und im Artikel

„Grecque (Eglise)“ in t.VI, 1967, die Spalten 813-822.

[39] Cant. 82,7. Opera II,297,5-6; PL 183,1180 D.

[40] Cant. 82,8. Opera II,297,19-21; PL 183,1181 A.

[41] Cant. 83,3. Opera II,299,21-23; PL 183,1182 C.

[42] O quanta illi animae latitudo! O welche unermessliche Weite der Seele!, ruft er aus:

Cant. 27,10. Opera I,188,25; PL 183,918 D.

[43] in regionem dissimilitudinis. Der Ausdruck stammt von Augustinus, Confessiones

l.VII c.X n.16. Bei ihm ist es allerdings die (platonisch verstandene) Ebene des Werdens

zwischen dem Nichtsein des Nichts und dem unwandelbaren Sein Gottes; bei Bernhard

das Land der Sünde und der Verunstaltung infolge der verlorenen Ebenbildlichkeit. Vgl.

Gilson a. a. O. 236 ff.

[44] inde anima dissimilis Deo, inde dissimilis est et sibi. Cant. 82,5. Opera II,295,25-26;

PL 183.1179 D.

[45] Vgl. Cant. 80,3. Opera II,278-279; PL 183.1167 B-1168 A; Dil. 11,4. Opera III,122-

123; PL 182,976 C-977 B.

[46] Brief 11,5. Opera VII,56,23-25; PL 182.112 B.

[47] Ebd. 11,4. Opera VII,55,23; PL 182,111 C.

[48] Ebd. 11,4. Opera VII,55,17-18; PL 182,111 C.

[49] Die naturnotwendige „necessitas urget“, „Notwendigkeit drängt“ den Menschen, und

es wäre töricht, sie abzuwürgen; vgl. Gilson a. a. O. 68-79.

[50] In die „cupido“, die „Begierlichkeit“, die den Menschen „trahit“, „zieht“; vgl. Gilson

ebd.

[51] Div. 50,2. Opera VI-1,271,11-272,3; PL 183,672 D-673 B; Brief 11,7. Opera VII,57,26-

58,14; PL 182,113 B-C. Der Ausdruck ist geprägt im Anschluss an Hld 2,4: „ordinavit in

me caritatem“, „er ordnete in mir die Liebe“.

[52] Diesen Ansatz, der von Augustinus stammt, hat in unseren Tagen Ernesto Cardenal

aufgegriffen und am ansprechendsten aktualisiert in seinem „Buch von der Liebe“

(deutsch: Wuppertal 1971). Er hat es 1956 als Novize im Kloster der Reformierten

Zisterzienser in Gethsemani (USA) geschrieben, und es ist offensichtlich die Frucht

seiner Begegnung mit den Kirchenvätern im Noviziatsunterricht, neben Bernhard vor

allem mit Augustinus und Gregor von Nyssa.

[53]Bernhards Freund Wilhelm v. St. Thierry (+l 148) konzentriert sich in seiner geistlichen Lehre,

im Anschluss an die griechischen Kirchenväter, stärker als Bernhard auf die Bewusstmachung und

Entfaltung der „Vergöttlichung“ des Menschen, zielt also auf die Überwindung des Bösen durch

die Faszination durch das Gute. Bernhard thematisiert stärker die Demut, um durch die

Bekämpfung des Bösen das Gute freizulegen. Es ist aber zu beachten, dass bei ihm und den

meisten Vätern die Erfahrung und Erörterung der Niedrigkeit und Nichtigkeit des Menschen -

anders als in neuzeitlichen existentialistischen und nihilistischen Philosophien - stets eine

Kontrast-Erfahrung zur (vorausgehenden) Erfahrung der Größe Gottes und des Menschen

darstellt. Das gilt auch von der umfangreichen Literatur zum Thema „vanitas mundi“, „Nichtigkeit

der Welt“. Löst man diese polare Spannung auf und predigt einseitig Selbstverleugnung, ohne

zugleich dieses gesunde Selbstbewusstsein zu vermitteln (was in der Aszetik zumindest der letzten

beiden Jahrhunderte allzuoft getan worden ist), so zerstört man den Gedanken, und vermutlich

auch manchen Menschen.

[54] Grad. 1,2. Opera III,21-22; PL 182,942 B; vgl. Grad. IV,15.

[55] Cant. 69,2. Opera II,202-203 ; PL 183,1112 D-1113 C.

[56] de ignoratia tui superbia. Cant. 37,6. Opera II,12,13-14; PL 183,973 C.

[57] de Dei ignorantia desperatio venit. ebd. 14; 973 C.

[58] Ad clericos de conversione. Opera IV,69-116; PL 182,833-856.

[59] Nach Jes 46,8; zitiert Conv. 11,3. Opera IV,72,13; PL 182,835 D und Conv. V,7. Ebd. 78-

79;839 A.

[60] Conv. VI,8-9. Opera IV,80-82; PL 182,839 B-D.

[61] Conv. VI,11. Opera IV,84,7-8 ; PL 182,840 D.

[62] Conv. XI,22. Opera IV,95,5-8; PL 182,846 B-C.

[63] Conv. VII,12. Opera IV,85,11-86,1; PL 182,841 B.

[64] Ebd. 86,11-12; 841 C.

[65] Conv. XI,23. Opera IV,95,15; PL 182,846C.

[66] Ebd. 96,5-10; 846D.

[67] Mt 11,29; zitiert in Conv. XII,24. Opera IV,97,11-12; PL 182,847 B.

[68] Conv. XIII,25. Opera IV,99,11-12; PL 182,848 A.

[69] ex propria miseria generalem perpendat. Grad. V,16. Opera III,28,19-20; PL 182,950 C.

[70] Ebd. 28,23-26; 950 D.

[71] de iustitia ad misericordiam confugiunt. Grad. V,18. Opera III,29,29-30; PL 182,951 C.

[72] Ebd. 29,30-30,4; 951 C.

[73] Grad. VII,21. Opera III,32,23-25; PL 182,953 D.        

[74] Grad. 111,6. Opera III,20,19-21; PL 182,944 D.

[75] „fleischlich“ meint bei Bernhard in diesem Zusammenhang - neutestamentlich -

egoistisch, selbstbezogen; „jene Liebe, durch die der Mensch sich selbst um seiner

selbst willen und vor allem liebt“. Dil. VIII,23. Opera III,138,13-14; PL 182,988 A.

[76] Sic amor carnalis efficitur et socialis cum in commune protrahitur. Dil VIII,23. Opera

III,139,11-12; PL 182,988 C.

[77] Wilhelm von St. Thierry beschreibt das Zusammenleben Bernhards mit seinen dreißig

Gefährten vor dem Eintritt in Cîteaux ausdrücklich mit Formulierungen der Apg über

die Urgemeinde: Vita I,I,15. PL 185,235 D-236 A.

[78] Gilson a. a. O. 118.

[79] Div. 29,2-3. Opera VI-1,211,7-212,3; PL 183,620 D-621 B.

 

[80] Ebd. 212,13-15; 621 C.

[81] Dil. XV,39; Opera III,152,18-22; PL 182,998 B-C.

[82] Cant. 20,2. Opera I,115,3-11; PL 183,867 C-D.

[83] Das Bild stammt aus Hld 1,12; die Myrrhe ist Symbol des Bitteren.

[84] Cant. 43,3. Opera II,42,18-27; PL 183,994 C-D. Diese Stelle findet sich auch fast

wörtlich in seiner Predigt zum Karmittwoch, Opera V,64,16-21; PL 183,269 A. Das

zeigt, wie wichtig ihm diese Betrachtung war.

[85] Predigt zum Karmittwoch. Opera V,64,15; PL 183,268 D.

[86] Bernhard spricht relativ selten von Maria, aber die wenigen Predigten und Aussagen,

die wir von ihm über Maria haben, sind von solcher Tiefe und Prägnanz, dass man ihn

zum „Doctor marianus“, „Marianischen Lehrer“ erklärt hat. Seinen Ruf als Marien-My-

stiker und Begründer einer sehr affektiven Marienverehrung haben ihm allerdings

Schriften anderer Autoren eingebracht, namentlich zwei Werke des Zisterziensers

Oger/Oglerius von Locedio (+ 1214), die nach seinem Tod verfasst und lange unter

Bernhards Namen verbreitet worden sind. Vgl. J. Leclercq, Art. „Bernard“ im

Dictionnaire des Auteurs Cisterciens, Rochefort (Belgien) 1975, 107.

[87] Transformamur cum conformamur. Cant. 62,5. Opera II,158,20; PL 183,1078 C.

[88] Vgl. Gen 32,26.32; Grad. IX,25; Opera III,35,26-28; PL 182,956 A.

[89] Bernhard war den Menschen mit einer überwältigenden affektiven Liebe zugetan. Vgl.

Cant. 26, die Totenklage über seinen Bruder Gerhard, und viele seiner Briefe, z. B.

Briefe 1; 11,1; 73,1; 111,3; 112,1-2; 116; 144,1-2; 154. Ausführlich darüber A. Fiske, S.

Bernard of Clairvaux and Friendship, in: Cîteaux 11 (1960), 1-41. L. Bouyer schreibt

über die frühen Zisterzienser: „Es gibt kein schöneres Beispiel für den christlichen

Humanismus als das ihrige. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass man zu diesem

Humanismus nur findet, wenn man ihn nicht direkt sucht, sondern wenn man sich nur

ganz schlicht um die rückhaltlose Treue zu Christus müht... In ihrem intimen Leben mit

Christus lebt der ganze Reichtum der Empfindsamkeit ihres Zeitalters, und umgekehrt

haben sie durch die übernatürliche Liebe die menschlichsten Empfindungen ins Licht

getaucht, wie etwa die warme und persönliche Freundschaft, die mit unendlicher

Zartheit in diesen Klöstern geblüht hat.“ (La Spiritualité de Cîteaux, Paris 1954, 245f.)

[90] propter se, non propter ipsum. Dil. XV,39. Opera III,152,26; PL 182,998 C-D.

[91] bonus tarnen iste amor carnalis. Cant. 20,9. Opera I,120,22; PL 183,871 D.

[92] Cant. 14,6, Opera I,80,13-18; PL 183,842 C-D.

[93] Cant. 20,6. Opera I,118,13-15; PL 183,870 A.

[94] Cant. 22,3. Opera I,131,6-7; PL 183,879 B.

[95] Cant. 20,6. Opera I,118,23-26; PL 183,870 B.

[96] Vgl. W. Kahles, Radbert und Bernhard. Zwei Ausprägungen christlicher Frömmigkeit,

Emsdetten (Westf.) 1938. Er ist nicht der Begründer der Verehrung der Menschheit Christi und

der Passionsmystik, sondern hat Teil an einem neuen Frömmigkeitsstil, der bereits im 11.

Jahrhundert in der eremitischen Bewegung aufgekommen war. Vgl. B. K. Lackner, The Eleventh-

Century Background of Citeaux, Cistercian Studies 8, Washington 1972, bes. 139-150.

[97] Occasione propriae necessitatis. Dil. XV,39. Opera III,152,27-153,10; PL 182,998 C-D; hier

152,27; 998 C.

[98] Ut diligat Deum, non iam propter se, sed propter ipsum. Ebd. 153,2-3; 998 D.

[99] ... quasi enim miro quodam modo oblitus sui, et a se penitus velut deficiens, totus perget in

Deum ... Ebd. 153,8-9; 998 D.

[100] Modus quidem Dei exinanitio est. Cant. 11,3. Opera I,56,25; PL 183,825 D.

[101] Ebd. 56,25-27; 825 D.

[102] Cant. 20,6. Opera I,118,18-20; PL 183,870 A-B; vgl. auch Div. 44. Opera V,110-111; PL

183,666 A-D.

[103] Vgl. Anm. 100.

[104] Vgl. Grad. VII,20-21. Opera III,31-33; PL 182,952 C-954 A.

[105] Grad. IX,27; Opera III,37,16-17; PL 182,958 A.

[106] J. Lortz, in: Bernhard von Clairvaux, Mönch und Mystiker. Internationaler Bernhardskongress,

Mainz 1953, hrsg. v. J. Lortz, Wiesbaden 1955, XLVI f.

[107] Cant. 71,5; Opera II,217,12-23; PL 183,1123 B-C.

[108] Cant. 52,7; Opera II,95,7-12; PL 183,1033 B.

[109] Div. 87,2; Opera VI-1,330,13-20; PL 183,704 A-B.

[110] Div. 87,3; ebd. 331,7-9; 704 C.

[111] Qui per excessum contemplationis rapti quandoquidem in Spiritu, quantulumcumque de

supernae felicitatis dulcedine degustare sufficiunt, toties esse liberos a miseria, quoties sic

excedunt. Hi plane ... etiam in hac carne, raro licet raptimque, complaciti libertate fruuntur. Grat.

V,15. Opera III,177,5-9; PL 182,1009 D-1010 A.

[112] Cant. 83,3. Opera II,300,3-5; PL 183,1182 D.

[113] ...Te enim quodammodo perdere, tamquam qui non sis, et omnino non sentire teipsum, et a

teipso exinaniri, et pene annullari, coelestis est conversationis, non humanae affectionis. Dil. X,27. Opera III,142,9-18; PL 182,990 B-C.

[114] Dil. X,28. Opera III,143,15-27; PL 182,991 A-992 A.

[115] Dil. X,27. Opera III,142,18-143,2; PL 182,990 C-D.

[116] Cant. 41,3. Opera II,30,21-27; PL 183,986 B.

[117] Cant. 41,5-6. Opera II,31,16-32,3 ; PL 183,986 D-987 B.

[118] Grad. VII,21. Opera III,32,27-33,7; PL 182,953 D-954 A.

[119] Non ergo ... contenta erit ... nisi et speciali praerogativa intimis illum affectibus atque

ipsis medullis cordis caelitus illapsum suscipiat, habeatque praesto quem desiderat, non

figuratum, sed infusum, non apparentem, sed afficientem; nec dubium quin eo

iucundiorem, quo intus, non foris. Verbum nempe est, non sonans, sed penetrans; non

loquax, sed efficax; non obstrepens auribus, sed affectibus blandiens. Facies est non

formata, sed formans; non perstringens oculos corporis, sed faciem cordis laetificans:

grata quippe amoris munere, non colore. Cant. 31,6. Opera 1,223,9-18; PL 183,943 B-C.

[120] Cant. 74,5. Opera II,242,13-243,8; PL 183,1141 A-C.

[121] Cant. 74,6-7. Opera II,243,9-244,6; PL 183,1141 C-1142 A.

[122] Cant. 69,6. Opera II,205,27-206,2; PL 183.1115 B.

[123] Cant. 23,15. Opera I,148,17-150,2; PL 183,892 B-893 B.

[124] Cant. 57,9. Opera II,124,22-125,13; PL 183,1054 A-C.

 

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